Diabetes mellitus Typ 2:
Gewichtsreduktion + Sport = Remission ?
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Adipositas (Fettleibigkeit) ist kein
ausschließlich modernes Phänomen, wenngleich die
Häufigkeit dafür in den vergangenen Jahrzehnten weltweit
drastisch zugenommen hat. In Deutschland gilt jeder vierte Erwachsene
als fettleibig, in den USA jeder zweite. Damit einher geht die Zunahme
der Volkskrankheit Diabetes mellitus Typ 2 (Altersdiabetes), der aber
auch Kinder und Jugendliche befallen kann und im Gegensatz zum Typ 1
nicht auf eine autoimmunologische Zerstörung der
insulinproduzierenden Beta- Zellen in den Langerhans- Inseln des
Pankreas (Bauchspeicheldrüse) zurückzuführen ist,
sondern auf deren Überlastung.
Um die restliche Insulinproduktion zu stimulieren, können
zunächst orale Antidiabetika eingenommen werden, im weiteren
Verlauf der Erkrankung aber kommt es unweigerlich zur
Insulinpflichtigkeit, wenn die Beta- Zellen zunehmend erschöpfen.
Körperliche Aktivität, Gewichtsreduktion, gesunde Ernährung
können die Insulinpflichtigkeit des Diabetes mellitus Typ 2
hinausschieben, wenn nicht gar die Blutzuckerwerte wieder
vollständig normalisieren, so daß günstigenfalls auf
die oralen Antidiabetika verzichtet werden kann, so die vorherrschende
Meinung. Um dies zu erreichen, bedarf es einer speziellen
Patientenschulung und eines straffen Trainingsprogrammes, denn zu hohe
Blutzuckerwerte haben über einen längeren Zeitraum
gravierende Folgen: Die Glycosylierung des roten Blutfarbstoffes
Hämoglobin vermindert dessen Fähigkeit, Sauerstoff
aufzunehmen. Daraus resultierende Blutgefäßschäden sind
die eigentliche Ursache für manigfaltige Folgeerkrankungen, wie
Nierenschäden, Nervenschäden, schlecht heilende Wunden,
offene Beine, Netzhautschäden (Retinopathien), Periodontopathien (Befestigungsverlust der Zähne),
kardiovaskuläre Erkrankungen, wie Angina pectoris, Herzinfarkt,
Schlaganfall, Atherosklerose. Drastisch ausgedrückt, fährt
nach Jahren der Erkrankung der Patient blind zur Dialyse.
Auch die Psyche bleibt nicht verschont von der Erkrankung; im Vergleich
zur übrigen Bevölkerung entwickeln Diabetiker
überdurchschnittlich oft Depressionen.
Welchen Nutzen mag ein Intensivprogramm für den Typ-2 Diabetiker haben?
Um dies zu ermitteln, wurde im Jahre 2001 in den USA eine prospektive,
multizentrische Studie begonnen. Über 5000 Patienten nahmen daran
teil, für medizinische Studien ist diese Zahl an Probanden sehr
hoch, und sie läßt mithin Aussagen von hoher Sicherheit zu.
Genannt wurde die Studie "Look AHEAD" (Action for Health for Diabetes Type 2), sie sollte über mehr als ein Jahrzehnt laufen. Zwei Gruppen wurden gebildet, die DSE- Gruppe (Diabetes Support and Education Intervention) erhielt die übliche Schulung und Beratung, die ILI- Gruppe
(Intensive Lifestyle based on Weight loss Intervention) hingegen
unterzog sich der bereits erwähnten intensiven Intervention ihres
Lebensstiles mit dem Ziel einer mindesten 7 %igen Gewichtsreduktion bei
dauerhafter Energiezufuhr von maximal 1200 bis 1800 kcal pro Tag und
mindestens 175 min Sport pro Woche.
Ergebnisse:
Zunächst fiel die Gewichtsreduktion in der ILI- Gruppe
weitaus stärker aus, als in der DSE- Gruppe, die als
Kontrollgruppe diente, doch im 4. Jahr konnte auch die DSE- Gruppe
Gewichtsreduktionen vorweisen.
Diagramm: Gewichtsreduktion in beiden Gruppen vom 1. bis zum 4.Jahr
Es kam zu etlichen teilweisen und sogar vollständigen Remissionen
des Diabetes in der ILI- Gruppe, weitaus mehr, als in der DSE- Gruppe.
Diagramm: Remissionen des Diabetes mellitus in beiden Gruppen vom 1. bis zum 4. Jahr
Nierenschädigungen, Retinopathien, Depressionen traten in der ILI-
Gruppe weitaus seltener auf, als in der DSE- Gruppe. Behandlungskosten
und Medikamentenbedarf waren geringer, die Blutzuckerwerte und der
Blutdruck im Durchschnitt näher an den Normalwerten.
Diagramm: Verbesserungen einzelner Parameter in der ILI- Gruppe im Vergleich zur DSE- Gruppe in Prozent
Kein Unterschied
zur DSE- Gruppe aber ergab sich in der Häufigkeit der
kardiovaskulären Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall, Angina
pectoris). Auch die Rate der Neuropathien war in der ILI- Gruppe nicht
geringer im Vergleich zur DSE- Gruppe.
Schlußfolgerungen:
Daraus ergibt sich die Frage: Lohnt sich der Aufwand einer
Intensivbetreuung und eines straffen Trainingsprogrammes beim Diabetes
mellitus Typ 2 ?
Natürlich ist dies eine Ermessensfrage jedes betreuenden Arztes und jedes Patienten, ich aber meine: Ja, unbedingt!
Schließlich handelte es sich bei den Studienpatienten um Menschen
im Alter zwischen 45 und 76 Jahren mit bereits länger
vorbestehendem Diabetes mellitus Typ 2. Bereits eingetretene
Gefäßschäden sind nur in einem sehr frühen Stadium
reversibel, das mag das enttäuschende Ergebnis hinsichtlich der
kardiovaskulären Ereignisse erklären, dennoch sind die
übrigen Verbesserungen keinesfalls als nebensächlich zu
betrachten, von der subjektiven Verbesserung der Lebensqualität
einmal abgesehen. Jeder, der einmal stark übergewichtig war und es
geschafft hat, sein Körpergewicht maßgeblich und dauerhaft
zu reduzieren, wird bestätigen, welcher Gewinn an Wohlbefinden
damit einhergeht. Der Modelspruch "Nichts schmeckt so gut, wie es sich
dünn anfühlt!" hat sicherlich seine Berechtigung in der
Modebranche nicht, da er geeignet erscheint, das Krankheitsbild der
Anorexia nervosa (Magersucht) zu befördern, für
Übergewichtige hingegen schon.
Quellen:
1. Diabetologie und Stoffwechsel 3/2013, 188-190
2. www.medscapemedizin.de/artikel/4901008
3. www.nejm.org
4. www.aerztezeitung.de 26.6.2013
5. The New England Journal of Medicine June 2013