Kieferorthopädische Chirurgie
Unter diesem Begriff werden die
unterschiedlichsten Maßnahmen zusammengefaßt, die aber alle
das Ziel haben, die Zahnstellung und/ oder knöcherne Strukturen
des Gesichtsschädels zu normalisieren und harmonisieren.
Neben der bereits beschriebenen operativen Weisheitszahnentfernung aus
kieferorthopädischer Indikation zur Vermeidung eines
Behandlungsrezidivs, der wesentlich selteneren operativen Entfernung
anderer retinierter Zähne oder Zahnkeime sowie mißgebildeter
oder überzähliger Zähne wird in der ambulanten Praxis
recht häufig die Entfernung eines Lippenbändchens durchgeführt:
Befindet sich im Lippenbändchen zwischen den oberen mittleren
Frontzähnen ein bindegeweblicher Strang, der bis in die Papille
einstrahlt, so drückt dieser die Zähne auseinander wie ein
Schwamm, es bleibt eine Lücke zwischen den Zähnen, obwohl
insgesamt ein Platzmangel vorliegen kann, z.B. mit Schachtelstellungen
zu den seitlichen Schneidezähnen. (Bei einem echten
Platzüberschuß im Kiefer kann überlegt werden, ob das
Diastema- die Lücke zwischen den Frontzähnen- belassen werden
soll, liegt aber Platzmangel vor, so muß natürlich jede
Möglichkeit der Platzbeschaffung genutzt werden.)
Der günstigste Zeitpunkt der Entfernung des Lippenbändchens
ist dann gegeben, wenn die seitlichen Schneidezähne bereits
durchgebrochen sind, die Eckzähne aber noch nicht. Liegt nur ein
geringfügiger Platzmangel vor, kann der Wachstumsschub der
durchbrechenden Eckzähne zur Mitte hin ohne jede weitere
Behandlungsmaßnahme zu Lückenschluß führen,
meistens ist aber eine kieferorthopädische Behandlung nötig,
an deren Anfang dann die Entfernung des Lippenbändchens steht.
Der Eingriff erfolgt unter Lokalanästhesie und dauert nur etwa 5 Minuten.
Extraktionstherapie nach Hotz:
Bei stärkerem Platzmangel, etwa ab dreiviertel
Prämolarenbreite, ist statt einer Überdehnung des Kiefers mit
kieferorthopädischen Geräten oder Multibandapparatur, die nur
allzu oft im (teilweisen) Behandlungsrezidiv mündet, die
Platzbeschaffung mittels Entfernung der ersten Prämolaren zu
überlegen: Stehen die bleibenden Frontzähne nach dem
Durchbruch in einer Schachtelstellung, kann recht einfach durch
Entfernung der Milcheckzähne Platz zu deren regelrechter
Einstellung geschaffen werden, die sehr oft völlig spontan erfolgt
durch Zungen- und Lippendruck. Der dadurch aufgebrauchte Platz für
die bleibenden Eckzähne wird später durch die Entfernung der
ersten Prämolaren beschafft. Diese klassische Form der
Gebißentwicklung mittels geplanter Extraktionen kann
natürlich je nach Notwendigkeit verschiedene Abwandlungen
erfahren, auch ist die Zwangsläufigkeit der Entfernung der ersten
Prämolaren nach Milcheckzahnextraktion keineswegs gegeben!
Auch für diese Behandlung gilt, daß im günstigsten Fall
keine kieferorthopädischen Maßnahmen sich anschließen
müssen, meistens aber stellt auch die Extraktionstherapie nach
Hotz nur den Beginn einer kieferorthopädischen Behandlung dar,
insbesondere dann, wenn aus Kariesgründen die ersten Molaren statt
der (eventuell noch kariesfreien) ersten Pämolaren entfernt werden
müssen.
Sind die zweiten Molaren kariös geschädigt, bietet sich
oftmals deren Extraktion anstelle einer operativen
Weisheitszahnentfernung an. Der Weisheitszahn kann in vielen
Fällen ohne weitere Maßnahmen dann die Stelle des zweiten
Molaren einnehmen, vorausgesetzt, er liegt nicht gekippt im Kiefer und
das Alter des Patienten läß einen alsbaldigen Durchbruch
noch vermuten.
Freilegung von Zähnen:
Sollen verlagerte Zähne nicht entfernt, sondern in die Zahnreihe
eingeordnet werden, ist es nötig, diese mit der Multibandapparatur
zu verbinden, um sie in die richtige Position zu ziehen oder zu
schieben. Nach deren Freilegung wird zu diesem Zweck noch intraoperativ
ein Bracket adhäsiv befestigt.
Temporäre Implantate zur Verankerung von kieferorthopädischen Apparaturen:
Um die Belastung von Zähnen zu verringern, an denen bei
Eingliederung fester Apparaturen mitunter erhebliche Kräfte
wirken, die zur Störung der Zahndurchblutung und zum Avitalwerden
führen können sowie auch zur Erzielung günstigerer
Winkel zur Krafteinwirkung sind manchmal Implantate angezeigt, die nach
Behandlungsabschluß wieder explantiert werden - am
häufigsten wird ein solches Implantat in der knöcheren
Gaumennaht eingebracht.
Anomalien des Gesichtsschädels:
Liegen diese vor, muß zunächst das Ende des
Knochenwachtums des Schädels abgewartet werden; daher finden
solche Eingriffe nur im Ausnahmefall vor dem 18. Geburtstag statt.
Häufigstes Syndrom, was einen chirurgischen Eingriff erforderlich
macht, ist die progressive Progenie - hierbei wächst der
Unterkiefer das ganze Leben lang weiter und wird immer
größer, was neben der erheblichen Entstellung auch die
Kautätigkeit immer schlechter werden läßt.
Die operative Durchtrennung des Unterkiefers auf beiden Seiten, seine
Rückverlagerung und die Neumodellation des viel zu großen
Kieferwinkels stoppen das Wachstum und stellen die normalen
Gesichtsproportionen wieder her.
Ein zu gering entwickelter Oberkiefer kann durch en-bloc- Resektion
nach vorn verlagert werden; einzelne Kieferteile mit den darin sich
befindenden Zähnen ebenso.
Die Nachentwicklung von Knochen kann mithilfe von Dehnschrauben
erfolgen, die zeitweise im Kieferknochen nach mikrochirurgischer
Knochentrennung enigebracht werden. Hierbei sind die
Übergänge zur Schönheitschirurgie fließend.